Wirkung von Vitamin D3

Lesedauer: 19 Minuten 

Vitamin D3 (Cholecalciferol) ist eine prohormonelle Substanz mit weitreichender biologischer Bedeutung, die über den Vitamin-D-Rezeptor (VDR) tief in immunologische, endokrine und zelluläre Regulationsprozesse eingreift. Neben der endogenen Synthese und enzymatischen Aktivierung zu Calcitriol beeinflussen genetische Varianten der beteiligten Enzyme sowie Polymorphismen im VDR-Gen maßgeblich die Bioverfügbarkeit und funktionelle Wirksamkeit. In diesem Beitrag werden die molekularen Mechanismen der Vitamin-D-Signaltransduktion, relevante Genvarianten und deren klinische Relevanz für die personalisierte Substitution erläutert.

Das Wichtigste in Kürze
  • Vitamin D3 (Cholecalciferol) wirkt wie ein Hormonvorläufer und kann Immunfunktion, Zellteilung, Entzündungsregulation und psychische Stabilität beeinflussen. Seine aktive Form, 1,25(OH)₂D3 (Calcitriol), reguliert über den intrazellulären Vitamin-D-Rezeptor (VDR) gezielt die Genexpression in zahlreichen Geweben.

  • Die Umwandlung von Vitamin D3 in seine aktive Hormonform erfolgt über mehrere Enzymschritte (v. a. CYP2R1 und CYP27B1) und hängt stark vom individuellen Stoffwechsel ab. Der Schlüssel zur Wirkung ist der Vitamin-D-Rezeptor (VDR), dessen Effizienz wiederum genetisch bedingt ist – insbesondere durch Polymorphismen wie rs1544410 und rs2228570.

  • Eine eingeschränkte VDR-Aktivität kann dazu führen, dass Vitamin D3 trotz normaler Blutwerte auf Zellebene nicht ausreichend wirkt. Das kann immunologische, hormonelle oder entzündungsbedingte Beschwerden begünstigen und einen funktionellen Mangel verursachen – auch wenn Laborwerte im Referenzbereich liegen.

  • Für die medizinische Praxis ist wichtig, dass bei genetisch eingeschränkter VDR-Funktion die Zielwerte für 25(OH)D3 im oberen Normbereich (50–70 ng/ml) liegen sollten. Ergänzend sind Magnesium, Vitamin K2, Zink und Omega-3-Fettsäuren essenziell für die optimale Wirkung. Eine genetisch abgestimmte Vitamin-D3-Therapie ist besonders relevant bei chronischer Entzündung, Erschöpfung, Autoimmunität und hormonellen Dysbalancen.

Inhaltsverzeichnis

Vitamin D3, auch Cholecalciferol genannt, ist eine fettlösliche Substanz, die im menschlichen Körper eine Vielzahl an biologischen Funktionen übernimmt und heute vielfach nicht mehr als klassisches Vitamin, sondern als Hormonvorstufe betrachtet wird. Besonders bekannt ist es für seine Rolle im Knochenstoffwechsel, doch tatsächlich beeinflusst Vitamin D3 über die Regulation der Genexpression auch das Immunsystem, die Zellteilung, Entzündungsprozesse, die Muskulatur und sogar die Psyche.

Die körpereigene Synthese von Vitamin D3 erfolgt in der Haut unter Einfluss von Sonnenlicht. Dabei spielt UVB-Strahlung mit einer Wellenlänge zwischen 290 und 315 Nanometern eine zentrale Rolle. In den Zellen der Epidermis ist eine Cholesterin-Vorstufe vorhanden, das sogenannte 7-Dehydrocholesterol. Dieses wird durch UVB-Strahlung photochemisch gespalten und in Prävitamin D3 umgewandelt. Dieser Zwischenstoff ist instabil und wandelt sich durch eine temperaturabhängige Umlagerung spontan in Vitamin D3 (Cholecalciferol) um. Dieser Prozess ist nicht enzymatisch, sondern läuft durch physikalische Reize (Licht und Wärme) ab. Das entstandene Cholecalciferol gelangt anschließend über den Blutkreislauf zur Leber. Im Blut wird es dabei an ein spezielles Transportprotein gebunden, das Vitamin-D-bindende Protein (DBP), das es schützt und löslich macht. In der Leber erfolgt der erste enzymatische Umwandlungsschritt: Hier wird Vitamin D3 durch die 25-Hydroxylase, ein Enzym der Cytochrom-P450-Familie (hauptsächlich CYP2R1), an Position 25 hydroxyliert. Das entstehende Produkt, 25-Hydroxyvitamin D3 (25(OH)D3), ist biologisch noch nicht aktiv, stellt aber die Hauptspeicherform dar. Aufgrund seiner langen Halbwertszeit von etwa zwei bis drei Wochen ist diese Form besonders gut geeignet, um den Vitamin-D-Status im Blut zu beurteilen. Im nächsten Schritt wird 25(OH)D3 in der Niere weiterverarbeitet. In den proximalen Tubuluszellen wird es durch das Enzym 1α-Hydroxylase (CYP27B1) an der Position 1 zusätzlich hydroxyliert. Es entsteht 1,25-Dihydroxyvitamin D3 (1,25(OH)₂D3), auch Calcitriol genannt, die biologisch aktive Hormonform. Diese Form besitzt eine deutlich höhere Wirkung und eine viel kürzere Halbwertszeit als die Speicherform, sie zirkuliert nur in sehr geringen Konzentrationen im Körper. Die Aktivität der 1α-Hydroxylase wird hormonell reguliert, unter anderem durch Parathormon (stimulierend), durch die Calcium- und Phosphatkonzentration im Blut sowie durch den Fibroblast Growth Factor 23 (hemmend). Interessanterweise können auch Immunzellen wie Makrophagen Calcitriol lokal aktivieren, unabhängig von der renalen Steuerung.

Die Wirkung von Calcitriol entfaltet sich auf zellulärer Ebene über einen spezifischen intrazellulären Rezeptor, den Vitamin-D-Rezeptor (VDR). Dieser befindet sich in vielen Zelltypen des Körpers. Nachdem Calcitriol an den VDR gebunden hat, bildet sich ein Komplex mit dem Retinoid-X-Rezeptor (RXR). Dieser Komplex wandert in den Zellkern und bindet dort an bestimmte DNA-Sequenzen, sogenannte Vitamin-D-Response-Elements (VDREs). Dadurch wird die Aktivität zahlreicher Gene reguliert. Unter anderem solche, die für die Aufnahme und den Transport von Calcium, für die Modulation des Immunsystems, für die Zellproliferation, Differenzierung und Apoptose verantwortlich sind. Vitamin D3 hat somit nicht nur eine strukturelle Rolle für den Knochenstoffwechsel, sondern auch eine immunregulatorische, entzündungshemmende und zellschützende Wirkung. Ist der Calcitriol-Spiegel ausreichend hoch oder besteht kein weiterer Bedarf, wird der aktive Metabolit durch das Enzym 24-Hydroxylase (CYP24A1) wieder inaktiviert. Dabei entsteht unter anderem 1,24,25(OH)₃D3, das weiter abgebaut und über Leber und Niere ausgeschieden wird. Dieser Abbauweg stellt sicher, dass eine endogene Überproduktion von Vitamin D3 keine toxischen Effekte verursacht.

Die Funktionsweise dieses gesamten Stoffwechselweges hängt maßgeblich von genetischen Faktoren ab. Individuelle Unterschiede in der Aktivität der beteiligten Enzyme, wie der 25-Hydroxylase, der 1α-Hydroxylase oder der 24-Hydroxylase, sowie in der Struktur und Funktion des Vitamin-D-Rezeptors können die Effizienz der Umwandlung und Wirkung deutlich beeinflussen. Bei genetisch bedingten Einschränkungen kann es trotz scheinbar ausreichender Blutspiegel an 25(OH)D3 zu einer verminderten zellulären Wirkung kommen. In solchen Fällen sind eine engmaschigere Kontrolle sowie eine individualisierte Dosierung sinnvoll, um eine optimale Vitamin-D-Versorgung sicherzustellen.

Created in https://BioRender.com

Implikationen für den Praxisalltag

Die Analyse des VDR-Gens (Vitamin-D-Rezeptor liefert wertvolle Hinweise darauf, wie effizient der Körper in der Lage ist, das aktive Vitamin D3, also 1,25-Dihydroxycholecalciferol (Calcitriol), auf zellulärer Ebene zu nutzen. Gerade bei Patient:innen mit wiederkehrenden Infekten, chronischen Entzündungen, Autoimmunerkrankungen, Knochenschwäche, anhaltender Erschöpfung oder hormoneller Dysregulation kann die Information aus der VDR-Typisierung gezielt für eine personalisierte Mikronährstoffstrategie genutzt werden. Denn nicht immer sagt ein unauffälliger Vitamin-D-Blutwert etwas über die tatsächliche Wirkung in den Zielzellen aus.

In der Praxis empfiehlt sich bei vorliegender eingeschränkter VDR-Aktivität, etwa bei den Genotypen rs2228570 A/A oder rs1544410 T/T, die gezielte Erhöhung des zirkulierenden 25(OH)D3-Spiegels auf Werte im oberen Normbereich (z. B. 50–70 ng/ml oder mehr, in Rücksprache mit dem Arzt), um trotz verminderter Rezeptorempfindlichkeit eine ausreichende Signalwirkung sicherzustellen. Typische Tagesdosierungen bewegen sich je nach Ausgangswert und Bedarf zwischen 2.000 und 5.000 I.E. Vitamin D3, bei starker genetischer Einschränkung oder chronischer Belastung können auch höhere therapeutische Dosen sinnvoll sein, stets ärztlich begleitet und durch regelmäßige Laborkontrollen ergänzt.

Begleitend sollte auf eine stabile Versorgung mit Magnesium geachtet werden, einem essenziellen Cofaktor für die Aktivierung von Vitamin D3 durch 1α-Hydroxylase und für die Rezeptorbindung im Zellkern. Auch Vitamin K2 spielt eine unterstützende Rolle, insbesondere für die funktionelle Einlagerung von Calcium in die Knochen und den Schutz vor vaskulärer Kalzifizierung. Zusätzlich wichtig sind Zink, Bor und Omega-3-Fettsäuren, die synergistisch auf Immunregulation und Zellmembranstabilität wirken. Neben der Supplementierung ist auch die Lebensweise ein entscheidender Faktor für die Vitamin-D-Wirkung: Regelmäßige Sonnenexposition (mindestens 15–30 Minuten täglich auf Gesicht, Arme und Beine), Bewegung an der frischen Luft, Stressreduktion und eine entzündungsarme Ernährung unterstützen den gesamten Vitamin-D-Stoffwechsel. Besonders förderlich sind Lebensmittel wie fettreicher Fisch (Lachs, Hering, Makrele), Eier, Pilze, Avocado, Nüsse und fermentierte Produkte.

Die genetische Information zum VDR-Status bietet somit eine hervorragende Grundlage, um präventive und therapeutische Maßnahmen exakt auf den biochemischen Bedarf und die zelluläre Verarbeitungskapazität von Vitamin D3 abzustimmen. Besonders im Kontext chronischer Entzündung, Immunerschöpfung, Stimmungsschwankungen oder Hormonungleichgewichten kann eine personalisierte Vitamin-D3-Versorgung auf Basis der VDR-Aktivität ein entscheidender Faktor für Regeneration, Wohlbefinden und langfristige Stabilität sein. Auch für behandelnde Ärzt:innen ergibt sich ein konkreter Mehrwert: klare Handlungsempfehlungen, individuell begründete Dosierungskonzepte und eine hohe Akzeptanz seitens der Patient:innen, die sich kompetent beraten und aktiv eingebunden fühlen.

Übersicht der verwendeten Literatur​​

Burgerstein Vitamine. (n.d.). Vitamin D – Wissenswertes. https://www.burgerstein.at/at/de/wissenswertes/vitamine/vitamin-d

Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE). (n.d.). Referenzwerte Vitamin D. https://www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/vitamin-d/

DocCheck Flexikon. (n.d.). Calciferol. https://flexikon.doccheck.com/de/Calciferol

Oregon State University, Linus Pauling Institute. (n.d.). Vitamin D. https://lpi.oregonstate.edu/mic/vitamins/vitamin-D 

Abbasi, M. et al. (2023). Genetic variations in the vitamin D receptor and susceptibility to disorders. ScienceDirect. https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0014480023000175

BMC Neurology. (2019). VDR polymorphism and multiple sclerosis in Iranian patients. BMC Neurology, 19, 54. https://bmcneurol.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12883-019-1577-y

Frontiers in Immunology. (2021). Vitamin D/VDR signaling and immune response. Frontiers in Immunology, 12, 731565. https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fimmu.2021.731565/full

Genes and Nutrition. (2021). VDR gene-diet interaction in obesity risk. Genes & Nutrition, 16(1), 10. https://genesandnutrition.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12263-021-00687-3

Hosseini, B. et al. (2024). Vitamin D receptor polymorphisms and metabolic disorders. Scientific Reports, 14, Article 58561. https://www.nature.com/articles/s41598-024-58561-2

MP Medical Practice. (n.d.). Vitamin D receptor and VDR polymorphisms in chronic disease. https://www.mp.pl/paim/issue/article/15039/

Nikkar, A., et al. (2023). Vitamin D receptor gene polymorphisms and their association with disease risk. RBMB, 41(2), 147–154. https://rbmb.net/article-1-542-fa.html

PLOS ONE. (2022). Association of VDR polymorphisms with autoimmune diseases. PLOS ONE, 17(9), e0275368. https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371%2Fjournal.pone.0275368

ResearchGate. (n.d.). Primary information for VDR SNPs. https://www.researchgate.net/figure/Primary-information-for-VDR-rs2107301-TC-rs2228570-CT-rs1989969-CT-and-rs11568820_tbl1_316334616

SNPedia. (n.d.). rs1544410 (VDR gene). https://www.snpedia.com/index.php/Rs1544410

SNPedia. (n.d.). rs2107301 (VDR gene). https://www.snpedia.com/index.php/Rs2107301

SNPedia. (n.d.). rs2228570 (FokI, VDR gene). https://www.snpedia.com/index.php/Rs2228570

Subik, D. (2017). Vitamin-D-Rezeptor-Polymorphismen und Immunantworten: Eine populationsbasierte Analyse [Dissertation, Universität Hamburg]. https://ediss.sub.uni-hamburg.de/bitstream/ediss/7674/1/Dissertation.pdf

Zhao, Q. et al. (2024). Vitamin D/VDR gene variants in disease susceptibility. PubMed ID: 38316264. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/38316264/