Selenbedarf zum Schutz vor freien Radikalen

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Die Glutathionperoxidase 1 (GPX1) ist ein selenabhängiges Enzym, das eine zentrale Rolle im antioxidativen Schutzsystem des Körpers übernimmt – insbesondere bei der Reduktion von Wasserstoffperoxid und organischen Peroxiden. Ihre Aktivität ist maßgeblich von einer ausreichenden Selenverfügbarkeit sowie von der genetischen Integrität des GPX1-Gens abhängig. In diesem Beitrag beleuchten wir die molekulare Funktion von GPX1, die Auswirkungen genetischer Polymorphismen (rs1050450) auf die Enzymaktivität und den individuellen Selenbedarf, sowie die klinischen Implikationen einer genetisch eingeschränkten ROS-Detoxifikation.

Das Wichtigste in Kürze
  • Selen ist ein essentielles Spurenelement, das als Bestandteil der Glutathionperoxidase 1 (GPX1) eine zentrale Rolle beim Schutz vor oxidativem Stress spielt. Es kann helfen, gefährliche freie Radikale wie Wasserstoffperoxid in harmlose Stoffe umzuwandeln und kann somit maßgeblich zum Zellschutz, zur Immunfunktion und zur Schilddrüsengesundheit beitragen.

  • Das Enzym GPX1 ist selenabhängig – seine Aktivität hängt vom Einbau der Aminosäure Selenocystein ab. Genetische Varianten im GPX1-Gen (z. B. rs1050450) können dazu führen, dass das Enzym weniger wirksam arbeitet und dadurch ein erhöhter Selenbedarf entsteht, um die antioxidative Kapazität aufrechtzuerhalten.

  • Eine verminderte GPX1-Aktivität kann das Risiko für oxidativen Stress erhöhen, was langfristig zu chronischen Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Problemen, Krebs oder neurodegenerativen Störungen beitragen kann. Besonders betroffen sind Personen mit einer genetisch eingeschränkten Enzymfunktion, die etwa 5 % der Bevölkerung betreffen.

  • Für die medizinische Praxis ist wichtig, dass bei Patient:innen mit eingeschränkter GPX1-Funktion der Selenstatus regelmäßig überprüft und bei Bedarf durch eine gezielte Supplementierung oder selenreiche Ernährung optimiert wird – insbesondere bei Symptomen wie Infektanfälligkeit, Erschöpfung oder Haarausfall.

Inhaltsverzeichnis

Selen ist ein wichtiges Spurenelement, das in unserem Körper für viel Prozesse notwendig ist. Es bietet unteranderem antioxidativen Schutz, unterstütz die Schilddrüsenfunktion und kann durch die entzündungshemmende Wirkung unserem Immunsystem helfen. Der Körper benötigt es nur in sehr geringen Mengen, dennoch kann ein Mangel oder eine Überdosierung erhebliche gesundheitliche Auswirkungen haben.

Verschiedene Substanzen können im Körper als freie Radikale wirken. Unter den freien Radikalen gibt es jedoch eine ganz bestimmte Substanz, das Wasserstoffperoxid, das von den GPX1-Genen neutralisiert werden muss. Bei effektiven Genen wird das Wasserstoffperoxid, das durch die Entgiftung anderer freier Radikale entsteht, sofort von den GPX1-Genen erkannt und in unschädliches Wasser umgewandelt, was zu einem Schutz der Zellen führt. Sind die GPX1-Gene jedoch ineffektiv, dann wird eine besonders hohe Dosis an Selen benötigt, um die Aktivität der beeinträchtigten GPX1-Gene zu fördern und den Schutz wiederherzustellen.

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Implikationen für den Praxisalltag

Mit einer Veränderung im GPX1-Gen (rs1050450) kann die körpereigene antioxidative Schutzfunktion beeinträchtigt sein, da das Enzym Glutathionperoxidase 1 (GPX1) eine essenzielle Rolle im Abbau von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS) spielt. Dabei ist GPX1 auf das Spurenelement Selen angewiesen, das als Bestandteil des Enzyms direkt an dessen Funktion beteiligt ist.

Selen ist nicht nur wichtig für GPX1, sondern auch für die Schilddrüsenfunktion, das Immunsystem und die DNA-Schutzmechanismen. Ein niedriger Selenspiegel kann langfristig zu erhöhtem oxidativem Stress, einer geschwächten Immunabwehr und einem erhöhten Risiko für Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und neurodegenerative Störungen führen. Bereits subklinische Selenmängel können sich durch Müdigkeit, Infektanfälligkeit, brüchige Nägel und Haarausfall bemerkbar machen. In schwereren Fällen können neurologische Symptome, Muskelschwäche oder Störungen der Schilddrüsenfunktion auftreten.

Es ist daher entscheidend, Risikogruppen frühzeitig zu identifizieren und eine regelmäßige Kontrolle der Selenwerte durchzuführen. Eine Genanalyse kann dabei helfen, gezielt diejenigen Personen zu erkennen, die eine verminderte GPX1-Aktivität aufweisen und von einer optimierten Selenversorgung profitieren könnten.

Jenen 5% Ihrer Patientengruppe, die statistisch betrachtet aufgrund des ungünstigen Genotyps A/A im GPX1-Gen (rs1050450) eine eingeschränkte Fähigkeit zur Neutralisation von oxidativem Stress aufweisen, ist folgende Vorgehensweise anzuraten:

  • Bis erste Beschwerden auftreten, kann eine normale Selenzufuhr beibehalten werden.

  • Sobald Symptome eines erhöhten oxidativen Stresses (z. B. häufige Infekte, Müdigkeit, Haarausfall) auftreten, sollte die Selenaufnahme erhöht werden – entweder durch eine gezielte selenreiche Ernährung (Paranüsse, Fisch, Eier, Vollkornprodukte) oder durch kontrollierte Nahrungsergänzung.

  • Spätestens ab diesem Zeitpunkt sollte eine regelmäßige Kontrolle der Selenwerte (6- bis 12-monatlich) erfolgen, um Defizite frühzeitig zu erkennen und eine optimale Versorgung sicherzustellen.

 

Eine gezielte Prävention basierend auf der individuellen genetischen Veranlagung kann helfen, oxidative Schäden zu minimieren und das langfristige Gesundheitsrisiko zu senken.

 

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